Mental Health im Clubkontext – Handlungsimpulse für einen gesunden Cluballtag
01.10.2025
Am 01. Oktober fand der Roundtable #11 zum Thema “Mental Health im Clubkontext – Handlungsimpulse für einen gesunden Cluballtag” im eeden – Space & Community statt. Initiiert durch das Clubkombinat Hamburg e.V. und die Initiative tba – to be aware, sowie finanziert durch die Behörde für Kultur und Medien (BKM) und die Clubstiftung Hamburg.
Ohne gesunde Clubmitarbeitende gibt es keine Clubkultur. Wer heutzutage im Club arbeitet, ist
permanent psychischem Druck ausgesetzt, der auch den Alltag negativ beeinflusst und langwierige Konsequenzen nach sich ziehen kann.
Wie können wir diesen Belastungen in der Clubkultur begegnen?
Der 11. Roundtable setzte sich mit dieser Frage auseinander und gab Handlungsimpulse, die sowohl individuell als auch strukturell ansetzet waren. Im Fokus stand die Entwicklung von neue Ansätze für Teamkultur, Kommunikation und Verantwortung in einem Arbeitsumfeld, das oft von Unregelmäßigkeit, Unsichtbarkeit und hohen emotionalen Anforderungen geprägt ist.
Der Referent:in Vy Tran ist DJ und Kulturenthusiast mit mehrjähriger Erfahrung in der Club- und Festivalkultur. Fast zehn Jahre lebte er in Mecklenburg-Vorpommern und engagierte sich dort besonders für die Stärkung von Club- und Musikkultur im ländlichen Raum. Seit zwei Jahren ist er Teil des Mental Health in Clubs – Projekts der Clubcommission Berlin und setzt sich dort für eine gesunde, resiliente und zukunftsfähige Clubkultur ein.
Inhaltliche Struktur
- Grundbegriffe & Definitionen
- Ressourcen & Stressoren im Club
- Umgang mit Stressoren
- Bedarfe von Clubmitarbeitenden – Gruppenarbeit
- Handlungsempfehlungen & Leitbild
Definition Grundbegriffe
- Ressourcen: Identifikation mit dem Club, Identifikation mit der städtischen Clubkultur, Zugang zur Clubkultur
„Community & das Team sind die größte Ressource im Club. Der Freundeskreis befindet sich innerhalb der Clubkultur“
- Stressoren:
- Organisation: Mangel an organisatorischen Strukturen, späte Schichtplanung, zu viele Kommunikationstools / –kanäle, schlechte Vergütung & Arbeitsverträge, fehlende On- Offboardingprozesse
- Übergeordnete Organisation: fehlende Work-Life-Balance, Schlafmangel, Stress, Lärm, schlechte Luft, Substanzgebrauch, fehlende Regeneration
- Diskriminierung / Grenzüberschreitungen: durch Gäst:innen/ Kolleg:innen/ Führungskräfte, Zugehörigkeit marginalisierter Gruppen, aufgrund von Gender/ Ethnie/ sexuelle Orientierung
Umgang mit Stressoren – Selbstfürsorge:
- Selbstfürsorge = bewusst Zeit & Energien in sich zu investieren, Werkzeug, Prävention, Wahrnehmung eigener Grenzen
Praktische Übung: Was tut ihr vor, während und nach einer Arbeitsschicht ?
Ergebnis:
- Vor: ausgeruht sein, nicht müde starten, Me-Time, Essen & Trinken, Informationen über Programm im Club/ Vorbereitung, Pausen
- Während: nach Hilfe fragen, Pausen, Fokus, Prioritäten, Wasser/ Trinken, Augen schließen, in sich horchen, externe Faktoren ausblenden, Rauchen, Ruhe, Gespräche, Mikro-Pausen
- Nach: Schlaf, Essen, Bier, Mitfeiern/ tanzen, Nachbesprechung/ Reflexion, Raum für positives Feedback
Tips:
- Mach es dir zur Gewohnheit regelmäßig mit dir selber einzuchecken
- Schlaf, Sport/ Bewegung, Achtsamkeit / Atmung, Essroutinen, soziale Beziehungen, Trennung Arbeit & Leben
- Box-Atmung: 4 Sek. Einatmen, 4 Sek. Atem anhalten, 4 Sek. Ausatmen
- Nehmt euch Zeit für Verarbeitung und Identifikation eurer Emotionen
- Nutzt Programme der Krankenkassen als Unterstützung – z.b. Achtsamkeit, Stressmanagement
- Achtung: Selbstfürsorge ist kein Ersatz für profesionelle psychologische oder medizinische Hilfe – nehmt externe Hilfe an, wenn die Belastung zu akut oder groß ist!
Umgang mit Stressoren – Organisationale Resilienz:
„Nur gesunde Mitarbeitende schaffen eine langfristige und nachhaltige Clubkultur“
- Resilienz innerhalb der Organisation/ Unternehmen ist immer von individuellen Faktoren bestimmt, z.b. Arbeitsumgebung, Arbeitsinhalte, Arbeitsorganisation, soziale Beziehungen zu Kolleg:innen / Führungskräfte / Gäst:innen, finanzielle Situation
Gruppenarbeit: Welche konkreten Bedarfe haben Clubmitarbeitenden in den Bereichen Arbeitsorganisation, Kommunikation, Gesundheit und Diversität?
- Arbeitsorganisation: klare Rollenverteilung, klare Kommunikationswege, Teammeeting, Transparenz, Raum für Konflikte & Beteiligung, On-Offboarding, Regelungen über Überstunden & Trinkgelder, faire Entlohnung, langfristige Planung von Schichten/Personal, definierte Arbeits- und Pausenzeiten
Anmerkung: zwischen allen Bereichen gibt es viele Schnittmengen, wo sich Bedarfe gleichen!
- Kommunikation: klare Kommunikationswege, Transparenz, Feedbackschleifen / Mitarbeitendengespräche, gestärkte Fehlerkultur, offene Feedbackkultur, Stärkung der Beziehungen zwischen Mitarbeitenden / Teambuilding
- Gesundheit: Meldeketten / klare Verantwortlichkeiten, Lärmschutz / Gehörschutz, Rückzugsorte, Austausch/ Ansprechpersonen, Grenzen (Arbeitszeit & Umfang, Überstunden, Pausenzeiten), Richtlinien Substanzgebrauch, Dokumentation von Notfällen & Grenzüberschreitungen, Arbeitsplatzausstattung (Funken, Steckdosen, Erste-Hilfe-Kasten, Wasser, WC)
- Diversität: interne Awareness-Strukturen, Abbau / Senkung von Barrieren, Blick auf Intersektionalität der Mitarbeitenden, gendersensible & inklusive Sprache, Stärkung marginalisierter Gruppen, anonyme Feedbackmöglichkeit, Aufbau von Peer-Support-Strukturen (Selbsthilfe-Gruppen), Schulung / Stärkung von Allyship-Strukturen
Handlungsempfehlungen – Umgang mit Herausforderungen:
- Diskriminierung/ Grenzüberschreitungen: Fokus auf Prävention, Entwicklung eines Code Of Conduct = Verhaltenskodex, Implementierung von Awareness-Konzept & Schulungen der Mitarbeitenden
- Handlungen immer gemäß Definitionsmacht der Betroffenen – egal ob Mitarbeitende, Gäst:in oder Künstler:in!
- Ruhe bewahren, Angebote machen, keine Fragen zur Tat stellen, aktives Zuhören & Präsenz zeigen, gemeinsam den Fokus lenken / Themenwechsel, medizinische Versorgung, vertrauliche Spurensicherung, Dokumentation, Support durch Kolleg:innen
- Substanzgebrauch / drogeninduzierte Fälle: immer Erste Hilfe leisten, Security & Führungskräfte in der Entscheidung hinzuziehen – Konsens & Definitionsmacht der betroffenen Person kann in diesem Fall nicht mehr eindeutig erfolgen
- Aftercare für Mitarbeitende: Intervision / Supervision, Dokumenation, psychologische Erstunterstützung, teambildene Maßnahmen / Schulungen
Psychologische Unterstützungsformate:
- Workshops für Führungskräfte / Inhouse Workshops für eine bessere strukturelle Organisation
- Psychologische Stärkung des Teams durch Kurzzeittherapien nach dem FRIAA (Frühzeitige Intervention am Arbeitsplatz – https://www.friaa.de/) und Achtsamkeitsübungen (CheckIn & Out)
- Seminare zur Stärkung der Resilienz für Mitarbeitende wie Gesunder Schlaf, Umgang mit Suchtmitteln, Kommunikation unter Stress etc.
- Peer-Support-Strukturen: gegenseitige Unterstützung von Mitarbeitenden, Schulung von eigenen Peer-Leitungen oder Einbezug von externen Berater:innen
- Supervision: durch externe Personen für akute Belastung & Teamkonflikte, Begleitung von Veränderungsprozessen, Teambuilding, für eine bessere Betriebsresilienz
- Psychologische Beratung: externe Fachkräfte, Ansprechspersonen, Beratungsstellen
Leitbild mentaler Gesundheit & Sicherheit:
- Kann Orientierung & Handlungsspielräume aufzeigen
- Klare Werte sorgen für Struktur und Sicherheit
- Prozess Leitbild: Bedarfe klären, diverse Arbeitsgruppen bilden, externe Expertise einbeziehen, text entwerfen und mit Team abstimmen, veröffentlichen und leben lassen
- Kernthemen Leitbild:
- Psychologische Sicherheit (Fehler- und Feedbackkultur)
- Wertschätzung und Respekt
- Stressbewältigung / Belastungsmanagement
- Transparente Kommunikation
- Klare Haltung zu Diversität
- Zugang zu Unterstützungsangebote
- Pausenkultur
- Handlungsempfehlung Leitbild:
- Regelmäßige Check Ins & Outs
- Externe Supervision
- Workshops & Führungskräftetraining
- Schulung & Vertrauenspersonen
- Anpassung von Schichtsystemen an Belastungslevel
- Niedrigschwellige psychologische Unterstützung, z.b. Fallbesprechung, Buddy-System, digitale Kommunikationstools zum Austauschen & Dokmentieren
Fazit:
Es brauch Strukturen für weniger Stress, eine Sensibilisierung für wichtige Mental Healt Maßnahmen (Selbstfürsorge, Resilienz), Wissenstransfer, sowie eine Stärkung von Selbstbewusstsein & Zugehörigkeit innerhalb des Teams!
Links:
- TBA – to be aware – www.tobeaware.org – Hilfestellung, Termine, Mailingliste
- Wtf – what the fear – www.wtf-stpauli.org – Beratungsstellen, Informationen und Materialsammlung zum Thema Gewaltschutz
- Kontakt Referent Vy Tran (Clubcommission) – mentalhealth@clubcommission.de
- Download Handbuch zu Mental Health & Ergebnisse der Forschungsarbeit – https://mentalhealthinclubs.de/results
